Die zentrale Frage in meiner Arbeit als Musikerin des 21. Jahrhunderts ist, wie ich Musik für Zuhörer*innen erfahrbar machen kann. Wie muss eine Konzertsituation beschaffen sein, um eine Aufnahmebereitschaft im Publikum zu erzielen? Während sich Musik im Laufe der Zeit stetig weiterentwickelt hat, ist die Konzertsituation, also das Konzertformat im Sinne eines Frontalvortrags in großen Sälen, seit Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend gleich geblieben und verliert zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz, was leider auch die Förderungswürdigkeit dieser Form des Kulturangebots immer wieder in Frage stellt.
Einen Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu finden, stellen die Bemühungen verschiedenster Plattformen dar, neue Konzertformate zu kreieren, die Musik in einen neuen Kontext stellen und zu eindrücklichen Konzerterlebnissen führen sollen. Hierfür wird Musik meist an außermusikalische Themen geknüpft, um eine Auseinandersetzung der Hörer*innen mit den jeweiligen Themen zu fördern. Es reicht nicht mehr, beschwingt und gut unterhalten ein Konzert zu verlassen, viel mehr soll das Publikum nach Ende der Veranstaltung weiter über bestimmte Themen, meist gesellschaftspolitischer Natur, nachdenken und intellektuell debattieren. Diese Ansätze werfen verschiedene Fragen auf: Zum einen, ob Musik um der Musik willen, also in ihrer „Reinform“, ohne eine zusätzliche außermusikalische Ebene, nicht mehr ausreicht, um in der heutigen Zeit gesellschaftlich relevant zu sein und den Ansprüchen des Publikums zu genügen bzw. die notwendige Aufnahmebereitschaft herzustellen. Zum anderen stellt sich die Frage, was sich unser Publikum von einem gelungenen Konzertabend überhaupt erwartet. Will es intellektuell angesprochen oder emotional berührt werden? Besucht es ein Konzert um sich zu entspannen oder um kritisch angeregt zu werden?
Eine persönliche Antwort auf diese Fragen hoffe ich im Rahmen des TRANSIENT Impulsfestivals beim Publikum selbst zu finden. In Form von Eins-zu-Eins Konzerten, bei denen ich für einzelne Personen spiele, möchte ich das ortsansässige Publikum in Bad Münstereifel, Nettersheim und Kronenburg näher kennenlernen und zu ihren persönlichen Zugängen zur Musik, sowie zu deren Erinnerungen an besondere Konzerterlebnisse befragen. Bei diesen Zusammentreffen im kleinen Rahmen benennt der Begriff Konzert nur eine Situation in der Musik stattfindet, in welcher Form, ob Frontalvortrag, Gesprächskonzert oder gemeinsames Musikmachen, entscheiden die Musikerin und ihr Gegenüber spontan. Das Repertoire, das ich mitbringe, legt seinen Fokus auf zeitgenössische Solowerke, doch hat das Publikum auch die Möglichkeit, ältere Musik in diesem neuen Kontext zu hören. Der Verlauf der Eins-zu-Eins Konzerte bleibt offen und wird maßgeblich von den teilnehmenden Personen mitbestimmt.
Aus diesen Begegnungen werde ich meine eigenen Schlüsse über die Wünsche und Erwartungen der Einheimischen an zeitgemäße Konzertangebote ziehen und in meine Arbeit als Cellistin und Kuratorin einfließen lassen.
Inspiration zu diesem Format erhielt ich von dem Künstler Marino Formenti, der durch seine leidenschaftliche und hingebungsvolle Art Musik zu machen und zu vermitteln, mein Interesse an zeitgemäßer Musik geweckt und gefördert hat.